das Kirchenjahr

1. Sonntag nach Trinitatis

Apostel und Propheten

Predigtbeispiele

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Zu den Perikopen

Predigtvorschläge zu Reihe I - Joh 5, 39-47

Liebe Gemeinde!
Die erste Frage bei diesem Predigttext müsste sein: müssen wir uns überhaupt davon angesprochen fühlen? Denn Jesus redet hier eine ganz bestimmte Menschengruppe an. Aber der Evangelist Johannes macht es sich dabei auch etwas einfach. Er schreibt nur: „die Juden“.
Ja, das würde einem Hitler gefallen, solche pauschalen Aburteilungen in der heiligen Schrift zu lesen. Es ist ja ganz einfach, daraus ein „die Juden sind an allem Schuld“ zu machen.
Aber wir müssen uns bewusst machen, dass Johannes eine Auseinandersetzung erlebt und in seinem Evangelium durchscheinen lässt, die sich schon einige Jahre nach Jesu Auferstehung und Himmelfahrt ereignete: die Heidenchristen und die Judenchristen waren dabei, sich voneinander zu trennen.
Die Judenchristen, d.h. die Juden, die sich zu Christus als dem Messias bekannten, wurden schnell weniger, weil der Druck der jüdischen Gemeinde immer größer wurde. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die Prophezeiungen, die sich in der Heiligen Schrift finden und auf den Messias beziehen, waren schlicht nicht in Erfüllung gegangen.
Gleichzeitig nahm die Schar der Heidenchristen zu. Dennoch beanspruchte die judenchristliche Gemeinde, die immer kleiner wurde, für sich, die führende Rolle unter den Christen zu spielen. Denn immerhin waren sie aus der Schar der Apostel entstanden, in ihnen wohnte gewissermaßen die Autorität der ersten Stunde, während die Heidenchristen erst später dazu gekommen waren.
Aber die Heidenchristen, das heißt jene Christen, die nicht aus dem Judentum hervorgegangen waren, wollten den Machtansprüchen der Judenchristen nicht länger nachgeben, zumal ihre Zahl stetig zunahm.
Das alles wird indirekt in den Worten, die uns der Evangelist Johannes überliefert, erkennbar, vor allem aber die Probleme, die die Judenchristen mit den übrigen Juden und insbesondere mit der jüdischen Obrigkeit hatten.
Das pauschale Urteil, das Johannes über „die Juden“ fällt allein durch die Art und Weise, wie er von ihnen schreibt, hat also einen historischen Anlass, der sich nicht auf unsere Zeit übertragen lässt.
Andererseits spiegelt sich etwas wider von dem, was wir in unserem Umfeld und auch bei uns selbst oft erleben: da gibt es eine Gruppe von Menschen, die etwas gemeinsam haben und darum gleich ein Etikett bekommen. Die einen sind „Die Grünen“, die anderen „die Reichen“, die nächsten „die Flüchtlinge“, wieder andere „die Muslime“, noch andere „die Atheisten“, wieder andere „die Linken“, oder „die Liberalen“, oder „die Roten“, „die Neo-Nazis“, „die Briten“, „die Politiker“, usw.
Jedem dieser Etiketten haftet etwas an, eine feste Vorstellung, eine Normierung: so und so sind die Menschen, die zu dieser Gruppe gehören. Und es ist interessant, dass man meist von denjenigen, die man am wenigsten kennt, am besten zu wissen meint, wer oder was sie sind.
Das ist genauso merkwürdig wie falsch. Denn jeder Mensch hat seine ganz eigene persönliche Geschichte, jeder Mensch denkt anders als alle anderen, und darum kann man niemanden so pauschal einordnen. Man kann zwar feststellen, dass jemand zu dieser oder jener Gruppe gehört, aber damit ist noch nichts über den Menschen gesagt.
Leider ist es menschlich, dass wir es dann doch tun und die Schublade mit dem entsprechenden Etikett aufmachen und den Menschen dort hinein tun.
Zu Recht stellen wir uns die Frage, ob wir uns so überhaupt anreden lassen müssen, zumal wir aller Wahrscheinlichkeit nach sagen würden: „Natürlich wollen wir zu Jesus kommen“ (Joh 5, 39), und „natürlich wollen wir das Leben haben“ (Joh 5, 40), um nur zwei der vielen Vorwürfe aufzugreifen, die Jesus seinen Zuhörern in unserem Predigttext macht.
Und ein Drittes: natürlich hoffen wir nicht auf Mose (Joh 5, 45). Das ist doch unser reformatorisches Erbe, das wir uns nicht nehmen lassen.
Hier an den Säulen der Vierung ist ja der Gegensatz von Gesetz und Gnade aufgemalt: „Das Gesetz ist durch Mose gekommen – die Gnade ist durch Jesus Christus gegeben.“ heißt es da in lateinischer Sprache.
Wir vertrauen auf die Gnade Gottes, die uns durch Jesus Christus zuteil wurde, und nicht auf das mosaische Gesetz. Die Gnade Gottes ist unsere Hoffnung.
Und doch – wenn ich mir den Text so anschaue, frage ich mich, ob nicht doch das eine oder andere in jedem von uns steckt, angefangen beim Hang zur Pauschalisierung bis hin zur Ablehnung dessen, was in der Schrift, d.h. in der Bibel, gesagt wird.
Wir neigen dazu, all das, was uns aus der Schrift schwer verständlich ist oder wir gar nicht nachvollziehen können, weil es sich unserer Vernunft verschließt, umzudeuten.
Das kann er so nicht gemeint haben, oder das ist so nicht geschehen, sondern in Wahrheit ist diese Wundererzählung nur ein Symbol für einen in Wahrheit geistlichen Vorgang – z.B. wenn einem die Augen aufgetan werden, der Blinde also sehend wird. Es sei damit nur gemeint, dass einem zuvor gewisse Dinge nicht klar waren, man sie jetzt aber deutlich erkennt. Das Auftun der Augen sei also nur im übertragenen Sinn gemeint.
Oder wenn von der Heilung eines Lahmen berichtet wird, dann wird dies auch nur im übertragenen Sinn gedeutet: wenn man aufgrund der äußeren Umstände in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist, z.B. durch Sachzwänge, durch den Terminkalender usw., dann wird man von dieser Lähmung befreit.
Und das soll es schon sein?
Jeder Psychotherapeut kann einem Menschen dazu verhelfen, von solchen „Lähmungen“ oder „Blindheiten“ befreit zu werden. Und manchmal genügen dazu auch einfach nur gute Freunde. Da bedarf es nicht der Macht Gottes.
Wenn wir nicht mehr von Gott erwarten, dann ist unser Glaube nutzlos. Wenn wir von Gott nur das erwarten, was Menschen genauso gut können, brauchen wir Gott nicht.
Wir haben so wunderbare Zusagen von Jesus empfangen – warum reden oder denken wir das alles klein? Warum fällt es uns so schwer, an die Allmacht Gottes zu glauben?
In der letzten Zeit sind mir immer wieder Hinweise darauf begegnet, dass der Mensch, je mehr er versucht, Gott zu „verstehen“, sich um so weiter von ihm entfernt. Und ich glaube, dass das wahr ist.
Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist‘s eine Gotteskraft.“, sagt der Apostel Paulus in seinem 1. Brief an die Korinther. (1. Kor 2, 18)
Sind wir diejenigen, denen das Wort vom Kreuz eine Torheit ist, oder gehören wir zu denen, denen dieses Wort vom Kreuz eine Gotteskraft ist? Können wir das Opfer der Liebe Gottes, den Tod Jesu am Kreuz, als befreiende Kraft annehmen? Können und wollen wir sagen, dass wir ohne den Tod Jesu am Kreuz hoffnungslos verloren sind? Oder sind wir vielmehr der Ansicht, dass wir unser Verhältnis zu Gott aus eigener Kraft heilen können?
Martin Luther und mit ihm viele andere Menschen sind an dem Versuch, das zu tun, gescheitert. Sie haben sich schließlich ganz auf die Gnade Gottes eingelassen und das Kreuz Jesu Christi als heilende Gotteskraft an- und auch wahrgenommen. Denn erst dann waren sie in der Lage, den Kampf aufzunehmen gegen die, denen es nur um die eigene Macht ging.
Ja, als Christen werden wir immer wieder belächelt, manchmal sogar verachtet, oft nicht ernst genommen, solange jedenfalls, wie uns die Botschaft vom Kreuz die zentrale Botschaft ist.
Denn natürlich redet auch die übrige Welt von Gott. Es gehört zum guten Ton, die andere Person glauben zu lassen, was sie möchte.
Aber die Welt redet von Gott in einer Weise, die nichts mit Glauben zu tun hat. Sobald es um zentrale Aussagen des Glaubens geht, sobald man darüber zu sprechen beginnt, was einem die Wunder Gottes bedeuten, wird das Thema gewechselt. Gerade dann aber sollten wir beharrlich dabei bleiben, wenn wir merken, dass unser Gegenüber diese Gotteskraft noch nicht oder nicht mehr wahrnimmt.
Wir müssen Gott Gott sein lassen, den Allmächtigen, den Ewigen oder auch den Zeitlosen, der weder Anfang noch Ende kennt. Wir müssen ihn frei lassen, damit er uns wieder Gott sein kann. Wir müssen aufhören, ihn nach unserem Bild zu schaffen; denn wir sind es, die nach seinem Bild geschaffen wurden.
Am heutigen Tag, an dem die Apostel und Propheten im Mittelpunkt stehen sollen, wird uns durch den Predigttext gesagt: hört die Worte, die euch gegeben sind – gemeint sind die Worte der Schrift, die Worte der Propheten und die der Apostel, die Bibel in ihrer Fülle.
Nehmen wir sie uns vor, lassen wir sie nicht im Regal verrotten. Beten wir über dem Wort Gottes Tag für Tag, damit es uns zur Speise wird und zur Kraftquelle, damit unser Vertrauen in die Kraft Gottes wächst und wir jeden Tag getrost beginnen können in der Gewissheit, dass nichts uns scheiden kann von der Liebe Gottes. (Röm 8, 35-39)
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Nun bitten wir den Heiligen Geist (EG 124 - Wochenlied!)
Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort (EG 193)
Herr, für dein Wort sei hoch gepreist (EG 196)
Herr, öffne mir die Herzenstür (EG 197)
„Eins ist not!” Ach Herr, dies Eine (EG 386)
Jesu, meine Freude (EG 396)
Ich will dich lieben, meine Stärke (EG 400)
Einer ist unser Leben (HN-/KHW-EG 552)
Nun geh uns auf, du Morgenstern (HN-/KHW-EG 571)


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Predigtvorschläge zu Reihe II - Apg 4, 32-37

Liebe Gemeinde!
Etwa ein halbes Jahrhundert ist verstrichen, als Lukas die Geschichte der ersten Gemeinden aufschrieb. 50 Jahre – da kann man noch Menschen antreffen, die damals gelebt hatten, und natürlich hatte Lukas auch über viele Jahre, in denen er in den Gemeinden umhergereist war, sich erzählen lassen, wie es gewesen war, damals, als es alles seinen Anfang nahm.
Der ursprünglichen Erschütterung über den Tod Jesu war bald die Unruhe gefolgt, die der Geist Gottes mit sich bringt und ja eigentlich erst verursacht: das Evangelium muss weiterlaufen, du kannst nicht ruhig an deinem Ort bleiben und hoffen, dass andere an deiner Stelle davon reden. Die Apostel und andere reisten umher, blieben nur wenige Wochen an einem Ort und predigten das Evangelium, das schnell Wurzeln fasste und so neue Gemeinden entstehen ließ. Immer ging es auch um den Geist Gottes, der in diesen Gemeinden wirkte. Auf ihn war Verlass – es bedurfte keiner weiteren Präsenz eines Apostels, wenn der Heilige Geist in einer Gemeinde gegenwärtig war.
Diese vom Heiligen Geist verursachte Unruhe machte aber an dieser Stelle nicht Halt, sondern sie bezog sich auch auf das baldige Kommen Jesu, das man in den ersten Jahren und Jahrzehnten noch erwartete. Jesus hatte ja verkündet, dass er wiederkommen würde – wie lange sollte es noch dauern, bis das Reich Gottes offenbar würde?
Alles, was Jesus ihnen gesagt hatte, war wichtig geworden und wurde zum Bestandteil ihres Lebens, zur Lebensaufgabe, um damit auch sein Kommen gewissermaßen zu forcieren.
Und so hielten sie fest an der Lehre der Apostel – derer, die mit Jesus gewandelt waren – und gingen in den Tempel oder in die Synagogen zum Gebet, denn sie waren nach wie vor fromme Juden. Zugleich kam das Neue hinzu: das gemeinsame Essen in den Häusern, was zwar auch dem jüdischen Volk bekannt war, aber nur zum hohen Fest des Passah. Hier bekam es eine neue Bedeutung: dieses Mahl war ein Fest der Gemeinschaft untereinander und mit dem auferstandenen Herrn.
Die christliche Gemeinde versammelte sich in den Häusern, denn Kirchgebäude oder andere Versammlungsräume hatten sie anfangs nicht zur Verfügung. Und es war ganz selbstverständlich, dass sie miteinander teilten, was sie hatten.
Fünfzig Jahre ist es her, dass alles so begann, und nun schreibt Lukas es auf, hält es fest für die Nachwelt. Manches ist schon Vergangenheit und wird in der gewesenen Form nicht wiederkehren: etwa die Erwartung, dass Jesus zu Lebzeiten der ersten Generation wiederkehren würde, aber auch, dass man einmütig in der Lehre der Apostel blieb, denn inzwischen hatte man sich mit dem Judentum zerstritten, es gab mehr heidnische Christen als jüdische Christen, und auch unter den Christen war man sich nicht mehr so einig wie damals in den Anfängen.
Der Tempel war zerstört, Jerusalem dem Erdboden gleich gemacht.
Und auch die Gütergemeinschaft, die sich ja in den klösterlichen Gemeinschaften bis in unsere Tage hindurch trägt, war für die übrige Gemeinde kaum mehr zu verwirklichen.
Und darum fügt Lukas eine Erzählung an von Hananias und Saphira, die zwar ihren Acker verkaufen, dann aber das Geld nur zur Hälfte der Gemeinde geben und dabei den Fehler machen, zu behaupten, das sei alles, was sie bekommen hatten. Beide sterben eines plötzlichen Todes, ohne dass jemand Hand an sie legte. Es ist ein grausames Gottesurteil, das Lukas da schildert, ein Urteil, das die Menschen, die seine Aufzeichnungen lesen, daran erinnern soll, dass Aufrichtigkeit eine wesentliche Notwendigkeit für das Miteinander der Christen ist. Jesus Christus ist der Weg und die Wahrheit und das Leben – niemand kommt zum Vater denn durch ihn, und das bedeutet eben auch: nur dann, wenn man wahrhaftig bleibt.
Lukas will die, die es sich bequem gemacht haben, spüren lassen, wie unbequem ihre Lage eigentlich ist, und so müssen auch wir uns herausfordern lassen von diesen Worten, die vom Anfang der Christen erzählen.
Warum ist es so eigentlich nicht mehr möglich? Sind es zu viele? Sind die gesellschaftlichen und kulturellen Hintergründe der verschiedenen Christen zu unterschiedlich? Oder ist es schlicht der Starrsinn, der Egoismus oder die Gleichgültigkeit der Menschen, die es unmöglich machen, dieses Ideal christlicher Gemeinde weiter zu leben? Oder gibt es zu viele Menschen, die die Liebe Gottes gar nicht annehmen wollen und darum auch die Gemeinde Jesu Christi an der Verwirklichung des Ideals?
Für Lukas brachen diese Fragen zu seiner Zeit schon auf. Er sah, dass das, was Jesus gepredigt hatte und in ihm schon sichtbar geworden war, nicht durchgehalten werden konnte. Aber es war ihm wichtig, darauf hinzuweisen, dass es doch möglich ist.
Und darum ist da erst ein Barnabas, der seinen Acker verkaufte und das Geld – alles Geld – vor die Füße der Apostel legte.
Natürlich ist es möglich. Aber wir werden uns gleich die Frage stellen: wem vertraue ich meinen Besitz an? Wenn ich wenigstens die Gewähr habe, dass es nicht genutzt wird, damit sich einzelne daran bereichern, bin ich zufrieden – und wenn ich selbst nicht am Hungertuch nagen muss, sondern in Frieden und ohne Sorge leben kann, ist es um so besser.
So war es gedacht, so fing es an, das Christentum, mit der Freiheit von allem, was uns in dieser Welt bindet, heute vielleicht mehr als damals, aber das glaube ich eigentlich nicht. Denn auch damals ging es um die Existenz, nicht nur um das eigene Leben, sondern auch um das der Familie, und darüber hinaus natürlich auch um die gesellschaftliche Stellung, die man durch solches Handeln verlieren konnte.
Was bindet uns? Diese Frage stellt uns Lukas mit diesem kurzen Schlaglicht auf die ersten Christen: die Menge der Gläubigen waren ein Herz und eine Seele.
Heute ist die Christenheit von Spaltungen und Trennungen geprägt. Unterschiedliche Konfessionen sind nicht zur Versöhnung bereit, und wo Gespräche geführt werden, merkt man doch auch, dass es über eine bestimmte Grenze nicht hinausgehen kann. Und diese Grenze: sie ist fast immer da, wo es um Macht geht. Denn dann bedeutet ihr Überschreiten Machtverlust. Und dazu sind Menschen wohl am wenigsten bereit.
Damals war es klar: die Macht gehört alleine Gott. Und so ist es auch heute. Nur einem gebührt die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Und so war es auch gar nicht schwierig, das wirklich werden zu lassen, was Lukas da beschreibt:
Es war keiner unter ihnen, der Mangel hatte.
Es liegt an uns, damit das wieder Wirklichkeit werden kann.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Herz und Herz vereint zusammen (EG 251)
O dass doch bald dein Feuer brennte (EG 255)
Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt (EG 413)


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Predigtvorschläge zu Reihe III - Jona 1,1 - 2,2(3-10)11

Liebe Gemeinde!
Das Buch des Propheten Jona sticht aus den anderen Prophetenbüchern, zwischen denen es eingebettet ist, heraus: es sind nicht Worte des Propheten, die wir lesen, sondern Worte über den Propheten. Es ist eine Geschichte, seine Geschichte, soweit sie seine Botschaft betrifft, die kurz und bündig in einem Satz zu formulieren wäre.
Hier geht es um etwas anderes: es geht um die Begegnung zwischen Gott und Mensch. Gott spricht den Menschen an, und seine Antwort wird hier auf teilweise erheiternde Weise dargestellt.
Ich möchte einzelne Abschnitte aus dem Gehörten herausgreifen und dazu einige Gedanken mitteilen.
Der Auftrag Gottes ist schon außergewöhnlich. Eigentlich hat Jona ja nichts mit Ninive zu tun. Es ist eine heidnische Stadt, sie gehört nicht zum Volk Israel. Sie liegt weit entfernt am Tigris in Assyrien. Was hat Gott, der Gott des Volkes Israel, damit zu tun?
Vielleicht ist das der Grund, warum Jona kalte Füße kriegt. Was, wenn es Gott am Ende egal ist, was ihm dort passiert? Er muss sich direkt in die Höhle des Löwen begeben, zu den feindlichen Nachbarn.
Das sieht er nicht ein. Ist es seine Sache? Er gehört nicht zu diesem Volk. Sollen die doch selber zusehen.
Aber dann wird es merkwürdig. In der Bibel heißt es, dass Jona vor Gott fliehen will. Nicht vor der Aufgabe, die ihm gestellt ist. Dabei muss er doch wissen, dass Gott allgegenwärtig, allwissend ist.
Doch Gott lässt ihn gehen. Es wäre wohl sehr naiv, wollte man glauben, dass Gott noch gar nicht bemerkt, was Jona im Schilde führt, bis er das Schiff besteigt. Nein, vom ersten Moment an weiß Gott Bescheid und lässt Jona gewähren. Besteige das Schiff, Du wirst schon sehen, was du davon hast.
Tarsis war eine Stadt weit, weit weg. Nach damaligen Maßstäben tatsächlich am anderen Ende der Welt. Mehr kannte man nicht – dort im äußersten Westen erwartete man das Ende, irgendwo, dort, wo das Wasser mit dem Himmel zusammentrifft. Jona will an dieses Ende der Welt, so weit wie möglich weg von Ninive und von dem Gott, der ihm diese unsinnige Aufgabe gestellt hat.
Er besteigt also das Schiff, und die Fahrt geht los. Der Sturm, der ausbricht, wurde natürlich von allen als Werk Gottes angesehen. Nur nicht unbedingt des Gottes, der Jona den Auftrag erteilt hatte.
Jona schlief in der Kajüte, während die Seeleute voller Angst beteten. Sie merkten, dass es nicht reichte. Der Fremde, der mit ihnen reiste, kannte vielleicht einen noch mächtigeren Gott, also sollte er mit ihnen beten.
Doch das Gebet warten sie gar nicht ab. Sie werfen das Los, wer schuld ist an diesem Unglück. Das Los werfen, das ist eine gute Sache. Denn letztlich trifft Gott die Entscheidung. Wie auch immer das Los fällt – niemand kann dafür verantwortlich gemacht werden als Gott allein.
Doch vorsichtig sollte man schon sein. Das, was die Seeleute da tun, ist gefährlich. Was, wenn Jona unschuldig gewesen und das Los trotzdem auf ihn gefallen wäre? Aber das passiert nicht, und diese Frage steht auch nicht zur Debatte. Jonas Schuld wird durch das Los, durch ein Gottesurteil, bekannt gemacht. Aber welcher Art ist die Schuld? Sie wollen es wissen, und das ist gut so. Sie fällen nicht gleich ihr Urteil und werfen ihn über Bord, nur weil das Los es so angezeigt hat. „Was ist der Grund für unser Unglück? Du kannst es uns offenbar sagen.“
Und so erzählt Jona diesen Fremden von seinem Gott. Zugleich macht er ihnen einen Vorschlag, wie sie sich retten können, doch ihre Skrupel sind groß. Fürchten sie Gott und wollen das Leben des Boten Gottes nicht gefährden, oder haben sie schlicht solch große Ehrfurcht vor dem Leben? Sie versuchen, was man versuchen kann, doch Gottes Augenmerk gilt Jona, der seine Lektion zu lernen hat.
Und so warfen sie ihn ins Meer, als Fischfutter.
Jona geht in sich. Diese merkwürdige Rettung gibt ihm Gelegenheit, darüber nachzudenken, was er getan hat. Er betet. Noch deutlicher konnte Gott ihm nicht zeigen, dass er sich auf dem Holzweg befindet. Und schließlich kann er ein Lied anstimmen, ein Lied mitten in der Finsternis. Das ist vielleicht das Großartigste dieser Geschichte. Es wird zwar nicht geschrieben, dass er es gesungen hat, aber man kann es annehmen, denn es ist in Versform geschrieben so wie die Psalmen, die ja bekanntlich auch gesungen wurden. Also: Jona singt – ein Ausdruck reiner Lebensfreude. Er dankt dafür, dass Gott ihn von den Fluten errettet hat, und verspricht, seine Gelübde zu erfüllen.
Nun ist mit den Gelübden sicher nicht der Auftrag gemeint, den Jona erhalten hatte. Es sind andere Dinge, die Jona zuvor schon versprochen und nicht gehalten hatte.
Es ist merkwürdig: nachdem Jona von Gott geflohen ist, flieht er nun zu ihm hin. Aber war nicht auch der Weg von Gott weg schon ein Weg zu ihm hin?
Ich denke, dass es ziemlich menschlich ist, Gott zu suchen, ohne ihm wirklich begegnen zu wollen, getreu dem Motto: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Gott erwartet Großes von uns. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist wohl, dass uns Gott gleichgültig wird, dass wir alles unter uns ausmachen, dass wir Gottes Stimme schlicht und einfach ignorieren.
Auf uns alle wartet ein Auftrag: wenn er uns gesagt wird, was werden wir tun?
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
O Mensch, bewein dein Sünde groß (EG 76)
Wir danken dir, Herr Jesu Christ (EG 79)
Christ ist erstanden (EG 99)
Wir wollen alle fröhlich sein (EG 100)
Jesu Christus, unser Heiland (EG 102)
Wir danken dir, Herr Jesu Christ (EG 107)
Mit Freuden zart zu dieser Fahrt (EG 108)
Auf, auf, mein Herz, mit Freuden (EG 112)
Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt (EG 154)
Und suchst du meine Sünde (EG 237)
Kommt her, des Königs Aufgebot (EG 259)
Wenn wir in höchsten Nöten sein (EG 366)
Gib dich zufrieden und sei stille (EG 371)
Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen (EG 518)


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Predigtvorschläge zu Reihe IV - Lk 16, 19-31

Liebe Gemeinde,
Jesus erzählt eine Geschichte.
Er ist wohl der Einzige, der solch eine Geschichte glaubwürdig erzählen kann, denn sie gibt uns einen Einblick in das, was nach dem Tod passiert. Und wir sehen da zwei Welten: Himmel und Hölle, so wie wir es von alten Bildern her kennen und wie wir es auch immer wieder einmal gehört haben.
Diese Geschichte ist unter anderen Anlass dafür, dass wir von der Hölle reden, in die Menschen kommen, die gegen Gottes Willen handeln und ihr Tun nicht bereuen.
Zwar haben wir mittlerweile aufgehört, von der Hölle zu reden, weil wir darauf vertrauen, dass Gott uns in seiner unendlichen Barmherzigkeit vor dem Verderben bewahrt. Dazu kommt, dass man sich schwer einen solchen Ort vorstellen kann, gerade auch weil die Liebe Gottes keine Grenzen kennt und darum solch ein Ort eigentlich dem Willen Gottes widersprechen müsste.
Früher hat man die Vorstellung von der Hölle vor allem dafür benutzt, um den Menschen Angst zu machen. Heute wissen wir, dass das kein guter Weg ist, um Menschen zum Gehorsam gegen Gott anzuleiten.
Dass Jesus mit dieser Erzählung falsch gelegen hat, wage ich aber auch nicht zu behaupten. Und ich kann mir auch gut vorstellen, dass es einen Ort der ewigen Verdammnis gibt. Nur wie dieser Ort aussieht, wie es denen geht, die dorthin kommen, das will ich offen lassen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass die tiefe Sehnsucht, die in dem reichen Mann steckt, Teil dieses Ortes ist. Es ist die Sehnsucht nach Ruhe und Frieden, die dort nie erfüllt werden wird.
Für uns aber, die wir die Liebe Gottes durch Jesus Christus angenommen haben, gibt es keinen Grund zur Angst. Wir werden dort nicht hinkommen.
Schauen wir uns die Erzählung einmal etwas genauer an:
Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon einmal aufgefallen ist: der Reiche hat keinen Namen, wohl aber der Arme. Wir kennen Lazarus, aber wer ist der Reiche?
Als Jesus diese Geschichte erzählte, musste er ganz bewusst darauf verzichtet haben, dem Reichen einen Namen zu geben.
Warum, das liegt eigentlich auf der Hand: der Reiche verweigert dem Armen das Nötigste, das er zum Leben braucht. Und das will Gott nicht. Er will vielmehr, dass wir einander helfen, jeder nach seinem Vermögen.
So könnte man vielleicht sagen, dass Gott den Namen des Reichen aus dem Buch des Lebens gestrichen hat, und darum auch Jesus keinen Namen nennen kann. Denn der Reiche hätte ja gut helfen können. Er hätte von seinem Überfluss abgeben und dennoch mehr als genug für sich selbst und seine Familie haben können.
Weil er aber dem Lazarus das Nötigste zum Leben verweigerte, darum kommt er in die Hölle.
Es hat natürlich seinen Grund, warum das Gleichnis für den 1. Sonntag nach Trinitatis ausgewählt wurde, an dem es um die Propheten und Apostel geht.
Beide, Apostel und Propheten, verkündigen das Wort Gottes. Sie sagen den Menschen, was Gott von ihnen will und was er für sie getan hat. Sie haben es über die Jahrhunderte gesagt, ihre Worte sind in der Bibel aufgeschrieben und werden immer wieder gepredigt. Der Reiche hörte sie genauso wie der arme Lazarus.
Auf diese Boten Gottes weist Abraham nun in der Erzählung hin: Deine Verwandten haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören.
Aber das scheint dem Reichen, der bereits Höllenqualen leidet und sich nun um seine Verwandten sorgt, zu wenig.
Gewiss ist es so, dass er aus eigener Erfahrung spricht, wenn er sagt: Nein, auf die hören sie bestimmt nicht. Man liest von ihnen ja nur in den Schriften. Was ist das schon. Aber wenn einer von den Toten auferstehen würde, das hätte Überzeugungskraft.
Der Reiche hat ja selbst nicht hingehört, solange er lebte. Ihm ging es gut – was sollte er sich also um das Wort Gottes kümmern? Erst im Tod merkt er, dass sein Handeln – oder besser sein Nichthandeln – Konsequenzen hat. Dieses Schicksal will er nun von seinen Verwandten, die noch leben, abwenden. Doch warum genügen da die aufgeschriebenen Worte der Propheten nicht?
Im Laufe der Jahrhunderte wurden auch schon damals die Worte der Propheten immer wieder relativiert. Man interpretierte ihre Worte so, dass sie nicht weh taten. Man rückte sie weg und sagte: das gilt für uns nicht mehr. Und so meinte der Reiche, müsse ein Prophet leibhaftig vor ihnen stehen, um sie zum Guten zu bekehren. Denn nur ein lebendiger Prophet ist überzeugend.
Aber so soll es nicht sein, und so muss es auch nicht sein. Gott hat zu uns gesprochen, über die Jahrhunderte immer wieder, durch seine Propheten. Es sind Worte, die uns anleiten, damit wir ewiges Leben haben können. Und wer ernsthaft in der Bibel liest und dabei um Gottes Führung bittet, weiß sehr wohl, dass diese Worte lebendig werden und Kraft und Wegweisung geben, auch wenn sie schon vor zweitausend und mehr Jahren aufgeschrieben wurden.
Jesus will uns mit dieser Erzählung keine Angst machen. Er will uns ermutigen. Schiebt die Propheten nicht beiseite. Hört auf ihre Worte. Sie gelten heute so, wie sie vor 2500 Jahren gegolten haben. Es sind Worte des lebendigen Gottes, die auch heute Leben schenken können.
Doch gibt es noch etwas, was in dieser Erzählung wichtig ist: das ist die Fürbitte. Der Reiche setzt sich für seine Verwandten ein, auch wenn er es erst nach seinem Tod tut. Erst dann realisiert er ja, was er alles falsch gemacht hat und was darum auch seine Verwandten falsch machen. Indem er nun für sie bittet, tut er etwas Gutes, auch wenn es ihm selbst nichts mehr nützt.
Besser wäre es wohl gewesen, wenn er noch zu Lebzeiten auch für seine Verwandten gebeten hätte.
Lassen wir uns davon anspornen, denn das ist etwas, das wir ohne Weiteres tun können: für unsere Mitmenschen beten; für unsere Verwandten und Freunde, und natürlich auch für die Menschen in Not.
Mit unserer Fürbitte erweisen wir unseren Mitmenschen einen wichtigen Dienst, auch dann, wenn diese nichts davon mitbekommen. Gott hört unsere Gebete, das hat uns Jesus selbst zugesichert.
Und so ist es auch durchaus möglich, dass unsere Gebete mithelfen, dieser unserer Welt ein freundlicheres Gesicht zu geben.
Natürlich ist die Art und Weise, wie Gott unsere Gebete erhört, nicht immer so, wie wir es erwarten. Denn er weiß besser als wir, was nötig ist und was wir brauchen. Aber da er uns so sehr liebt, wird er uns auch nicht allein lassen, wenn der Weg, der vor uns liegt, viel beschwerlicher ist, als wir es uns wünschen.
In allem empfangen wir Kraft und Trost aus den Schriften der Apostel und Propheten. Sie weisen uns den Weg zu Gott, sie halten uns seine Liebe und Barmherzigkeit vor Augen.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie das in besonderer Weise spüren.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Nun bitten wir den Heiligen Geist (EG 124)
Herr, dein Wort, die edle Gabe (EG 198)
So wahr ich lebe, spricht dein Gott (EG 234)
Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ (EG 246)
In dir ist Freude (EG 398)
Komm in unsre stolze Welt (EG 428)
Valet will ich dir geben (EG 523)
Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (EG 530)
Herr, wir stehen Hand in Hand (NB-EG 602)
Wo ein Mensch Vertrauen gibt (NB-EG 604)


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Predigtvorschläge zu Reihe V - 1. Joh 4, (13-16a)16b-21

Liebe Gemeinde!
Wer oder was ist Gott eigentlich? Können wir auf diese Frage eine klare Antwort geben?
Manche Menschen meinen jedenfalls, dass sie das können. Sie haben eine genaue Vorstellung davon, wer Gott ist, und tun dies kund, indem sie die Gottesvorstellung anderer Menschen von ihrer eigenen abgrenzen.
Dazu gehört auch die Aussage: „Wir beten zu einem anderen Gott“, die immer wieder einmal, vor allem in christlichen Kreisen, im Blick auf das Miteinander von Christen und Muslimen gemacht wird.
Mit dieser Aussage wird der Eindruck erweckt, dass man genau weiß, zu was für einem Gott wir beten, und auch zugleich weiß, zu was für einem Gott andere Menschen beten.
Ich habe mit solch einer Aussage aber einige Probleme. Denn sie stellt den Versuch dar, Gott auf ein Schema festzulegen, das unserer doch sehr begrenzten Vorstellungswelt entspricht und entsprungen ist.
Gewiss lassen sich einige Eckpunkte festhalten, und vor allem ist das Handeln Gottes durch Jesus Christus ein deutliches Unterscheidungsmerkmal.
Aber sobald wir diese Eckpunkte zur Ab- und Ausgrenzung benutzen, laufen wir Gefahr, das Gebot der Liebe zu missachten, das grundsätzlich allen Menschen gilt.
Kein Mensch ist in der Lage, sich Gott in seiner ganzen Größe und Wahrheit vorzustellen. Alles, was wir tun können, ist, die Erfahrungen, die jeder Mensch in irgendeiner Weise mit Gott gemacht hat, zu erfassen und daraus Rückschlüsse zu ziehen auf das Wesen Gottes. Aber dass dies dann nur ein sehr bruchstückhaftes Bild sein kann, müsste eigentlich jedem einleuchten.
In der Bibellese für den gestrigen Tag aus dem Ökumenischen Bibelleseplan war der Ausschnitt aus dem 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes zu lesen, in dem Paulus davon redet, dass wir jetzt alles nur stückweise erkennen können. Es kommt die Zeit, da wir alles werden sehen können, aber bis dahin können wir wohl nie sagen: so ist Gott. Das einzige, was wir von ihm durch Jesus Christus mit Gewissheit sagen können, ist, dass er gnädig und barmherzig ist.
Die Erfahrungen, anhand deren wir uns ein Bild von Gott zu machen versuchen, sind schon außerordentlich vielfältig. Ein weiser Mensch hat einmal gesagt, dass es so viele Gottesvorstellungen gibt, wie es Menschen gibt. Und das hat damit zu tun, dass unsere Gottesvorstellung geprägt ist von unseren eigenen Lebenserfahrungen, und diese sind bei jedem einzelnen Menschen unterschiedlich – selbst dort, wo zwei Menschen in der Ehe miteinander verbunden sind und ihr Leben tagaus-tagein teilen.
In der Bibel lesen wir davon, wie Gott in der Geschichte gewirkt hat – und merken, dass es da Veränderungen gibt. Wir sehen Bilder vom barmherzigen Gott genauso wie von dem Gott, der ganze Städte zerstört.
Da ist der Gott, der den Menschen zu seinem Ebenbild erschuf, und da ist der Gott, der dieses sein Ebenbild aus dem Paradies vertreibt. Da ist der Gott, der die ganze Menschheit - bis auf Noah und seine Familie – in der Sintflut ausrottet, und da ist der Gott, der seinen Sohn opfert und so seine grenzenlose Liebe offenbart.
Dazu gibt es unsere eigenen Erfahrungen, die diese Erfahrungsberichte aus der Bibel ergänzen und facettenreich machen. Da sind gute Erfahrungen: Gott hat einem durch tiefes Leid oder Trauer hindurchgeholfen, man hat von ihm Wegweisung empfangen, man hat seine Nähe und Kraft gespürt, als man krank war oder nach Hilfe suchte.
Aber es gibt auch die andere Erfahrung: Gott hat einen im Stich gelassen, er war nicht da, als man ihn brauchte, er ließ eben keinen Wegweiser auftauchen, als man nicht mehr weiter wusste.
Er ließ den geliebten Ehepartner viel zu früh sterben, und er lässt es zu, dass Tag für Tag, Stunde um Stunde tausende von Menschen, darunter viele Kinder, Hungers sterben.
Mir wurde von Gemeindegliedern – meist in meinen früheren Gemeinden - erzählt, dass sie, als sie noch Kinder waren, mit ansehen mussten, wie ihre eigenen Eltern von feindlichen Soldaten misshandelt oder ermordet wurden. Andere haben ihre Eltern im Laufe des Krieges verloren; der Vater fiel im Krieg, die Mutter wurde verschleppt oder ging an den Strapazen des Krieges zugrunde.
Man wundert sich kaum, wenn Menschen, die so etwas durchgemacht haben, an Gott zweifeln oder gar nicht mehr an ihn glauben können oder wollen.
Gott hat viele Gesichter, und keins dieser Gesichter ist offenbar das eine, einzige, von dem wir sagen könnten: das ist Gott.
Unser Predigttext, der Abschnitt aus dem 1. Johannesbrief, macht nun eine einzige Aussage über Gott: Gott ist die Liebe!
Gott ist die Liebe. Diese Aussage kann nicht jeder Mensch teilen. Schnell möchte man ergänzen, dass er das eben nicht allein ist, sondern dass da noch mehr dazu gehört. Gott ist nicht nur die Liebe. Denn wenn er es wäre, dann könnte er doch nicht das Elend in dieser Welt, das so grausam ist, zulassen.
Und doch hören wir diese Worte, müssen wir sie heute anhören: Gott ist die Liebe.
Bei dem Wort „Liebe“ denke ich zunächst an die Liebe zweier Menschen zueinander. Sie sind füreinander da, sie gehen gemeinsam durch dick und dünn, sie stützen und stärken einander in schweren Tagen, und sie genießen gemeinsam die Freude, wenn sie Gutes erfahren.
Liebe, dabei denke ich auch an die Liebe, die ich meinen Mitmenschen gegenüber empfinde. Ich erkenne in ihnen liebenswürdige Geschöpfe Gottes. Ich verachte sie nicht, sondern ich versuche, ihnen Gutes zu tun, sie spüren zu lassen, dass sie geliebt sind.
Liebe – das ist nicht das sexuelle Vergnügen, etwa so: „wir haben uns geliebt“ - für eine Nacht. Liebe ist vielmehr immer die Wertschätzung des anderen, der Respekt für den anderen. Liebe dient nicht dem eigenen Vergnügen, sondern Liebe dient dazu, das Leben des anderen lebenswert zu machen.
Liebe ohne ein Gegenüber, das gibt es nicht. Liebe ist immer auf ein Ziel hin gerichtet. Das bedeutet auch: es kann Liebe als eigenständige Größe gar nicht geben. Wenn es also hier heißt: „Gott ist die Liebe“, dann müsste das eigentlich bedeuten: „Gott liebt“. Und automatisch müsste man sagen: „Gott liebt uns!“
Aber das ist nun doch nicht gemeint. Denn sonst würde alles Weitere aus unserem Predigttext keinen Sinn ergeben. „Gott ist die Liebe“ - vielleicht ist er – oder sie - genau das: die Liebe.
In Jesus Christus wurde diese Liebe manifestiert, sie wurde sichtbar, und sie hat sich nicht nur ein paar Menschen zugewendet, sondern der ganzen Menschheit, allen.
Gott ist die Liebe: Wenn das so ist, dann sind alle die, die Liebe für ihre Mitmenschen empfinden, auf dem richtigen Weg, sie sind auf dem Weg Gottes. Sie beten den „richtigen“ Gott an.
Johannes fordert uns auf, in der Liebe zu bleiben, denn dann bleiben wir in Gott. Dazu gehört, alle Furcht zu überwinden und die ersten Schritte auf unbekannten Wegen zu wagen.
Wenn wir in der Liebe bleiben, dann lieben wir natürlich auch unsere Mitmenschen. Und darin kann es dann auch keine Unterscheidung geben – es kann nicht angehen, dass wir manche Menschen von der Liebe ausnehmen. Denn wenn Gott die Liebe ist, dann macht auch er keinen Unterschied. Oder was wäre das für eine Liebe, die nur manche Menschen zum Ziel hat, und andere nicht?
Es wäre keine vollkommene Liebe. Kann das aber sein, dass Gott unvollkommen ist? Sicher nicht. Darum „lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt“.
Es bleibt die Frage, wie es dann zu dem Elend und der Not in der Welt kommen kann.
Nun, Gott ist die Liebe – und wir sind in ihm. Wenn das so ist, dann sind wir es, die diese Liebe Gottes für alle Menschen sicht- und spürbar machen.
Bei solchen Gedanken erinnere ich mich an den Vortrag eines afrikanischen Bischofs, der sagte: uns geht es schlecht, euch geht es gut. Als Christen habt ihr die Pflicht, uns zu helfen, damit wir die Liebe Gottes erkennen können.
Da kann man zwar leicht „Ja, aber...“ sagen, aber es ist auch ganz gut, wenn man erst einmal über diese Aussage eine Weile nachdenkt.
Weil Gott die Liebe ist, darum besteht diese Welt überhaupt noch. Weil es Menschen gibt, die von dieser Liebe erfüllt sind, die in Gott bleiben. Das Elend dieser Welt und ihre Ungerechtigkeit kann ja von der Liebe überwunden werden – sie kann von uns überwunden werden. Auch so wird sichtbar und erkennbar, dass Gott die Liebe ist.
Darum lasst uns in der Liebe bleiben, damit wir diese Liebe durch unser Reden und Tun weitertragen. Lasst die Liebe spürbar werden für alle Menschen, die uns begegnen, damit offenbar wird: Gott ist die Liebe.
Amen

oder:

Liebe Gemeinde!
Gott ist die Liebe – das klingt so schön. Es macht alles so unglaublich einfach, denn eigentlich kann dann ja nichts falsch sein. Die unendliche Liebe Gottes, die vollkommene Liebe, die Gott selbst ist, verzeiht alles. Er läuft uns hinterher, er breitet eine riesige Decke des Verzeihens über uns, keine Klage kommt aus seinem Mund, sondern nur liebevolle Worte.
Der „liebe Gott“ kann niemandem wehtun, im Gegenteil, er tut jedem Wohl. Es würde seinem Wesen, d.h. der Liebe, vollkommen widersprechen, würde er bestrafen anstatt vergeben.
Wir lesen es ja auch im berühmten 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes:
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. (1. Kor 13, 4-7)
Wenn Gott die Liebe ist, dann muss es doch auch so sein: er rechnet das Böse nicht zu, er duldet vielmehr alles.
Da kann man sich also ganz entspannen und braucht sich keine Gedanken zu machen, wenn man mal seinem Mitmenschen in irgendeiner Form einen Schaden zugefügt hat. Gott sieht ja darüber hinweg.
Vielleicht ist das der Grund, warum heutzutage seitens der Leitungen vieler Kirchen und auch der EKD nahezu jeder Lebensentwurf, wie man das heute so schön nennt, möglich ist, obwohl in der Bibel nur das Zusammenleben von Mann und Frau in verbindlicher Gemeinschaft für gut befunden wird.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum in Predigten das Gericht kaum noch vorkommt, obwohl Jesus davon explizit und immer wieder gesprochen hat.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Kirche für viele Menschen keine Bedeutung mehr hat, obwohl wir eigentlich das Salz der Erde und das Licht der Welt sein sollten.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum es heutzutage vielen Menschen ausgesprochen leicht fällt, aus der Kirche auszutreten und dennoch die Dienste der Kirche in Anspruch nehmen zu wollen.
Aber was meint Johannes wirklich, wenn er schreibt, dass Gott die Liebe ist?
Es stimmt zwar, dass Liebe immer bereit ist zur Vergebung. Aber wer liebt, der weiß auch, dass es da Grenzen gibt. An einem bestimmten Punkt ist es nötig zu sagen: ich kann das nicht gutheißen, was Du da tust.
Wer ewig nur vergibt, erteilt dem anderen einen Freifahrtschein, alles zu tun, was er möchte. Und wir wissen, dass das nicht der richtige Weg sein kann.
Eltern lieben ihre Kinder. Das heißt aber nicht, dass sie ihren Kindern alles erlauben bzw. durchgehen lassen. Es gibt Grenzen, die es einzuhalten gilt, und das muss gelernt werden.
Es gehört mit in die Verantwortung der Eltern, diese Grenzen den Kindern aufzuzeigen. Eigentlich ist dies nur ein Ausdruck der Liebe, denn indem man den Kindern die Grenzen zeigt, schützt man sie ja auch vor den Gefahren, die sich dadurch ergeben, dass sie die Grenzen überschreiten.
Was heißt das also, wenn Johannes schreibt: Gott ist die Liebe?
Zunächst einmal können wir feststellen, dass Gott aus Liebe handelt. Er hat seinen Sohn in die Welt gesandt, damit er am Kreuz unsere Sünden auf sich nimmt und uns mit Gott versöhnt. Dieses Handeln ist Ausdruck äußerster Liebe. Gott wollte die abgrundtiefe und darum unüberwindbare Schlucht, die sich durch die Sünde zwischen Gott und Mensch aufgetan hatte, überbrücken.
Er will nicht, dass wir verloren gehen, im Gegenteil: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (Joh 3, 16)
Aber damit diese Liebe wirksam werden kann, müssen auch wir etwas tun. Immer finden wir wenigstens eine Bedingung an die Liebe Gottes geknüpft.
Bei dem Vers aus dem Johannes-Evangelium, den ich gerade zitiert habe, ist es der Glaube. Er ist die Antwort auf das Handeln Gottes. Ohne den Glauben perlt die Liebe Gottes gewissermaßen von uns ab. Sie kann nicht in uns hinein, sie trifft auf unüberwindbaren Widerstand. Sie kann nicht wirksam werden.
Da hilft übrigens auch die Taufe nicht. Denn die Taufe, so kann man es ganz gut bildlich zum Ausdruck bringen, öffnet nur eine Tür – hindurchgehen aber müssen wir; das ist unser Teil.
Nur durch Beides – Gottes Liebe und unsere Antwort – können wir das Heil und die Liebe Gottes auch erfahren.
Das finden wir so auch in unserem Predigttext:
wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. (1. Joh 4, 16b)
Unsere Antwort ist nach Johannes das Bleiben in der Liebe, und das ist schon eine ganz schöne Herausforderung. Denn es fällt nicht leicht, immer nur zu lieben.
Da gibt es Zeitgenossen, die einem die Liebe ausgesprochen schwer machen. Man möchte mit ihnen am liebsten gar nichts zu tun haben, aber die Liebe wendet sich nun mal nicht ab, sondern sie wendet sich dem Menschen zu, egal, was für einer das ist. Und darin sind wir nicht gerade Weltmeister.
Heißt das nun, dass, wenn wir in der aktiven Liebe versagen, wir nicht mehr in Gott sind und Gott nicht mehr in uns ist?
Im Grunde müsste man es schon so konsequent sagen. Denn wenn wir die Liebe verlassen, sind wir nicht mehr in der Liebe. Das dürfte uns allen einleuchten.
Im Grunde ist es so: Wir bleiben Gott immer etwas schuldig. Wir können nicht so lieben, wie er uns liebt. Wenn wir das könnten, dann wären wir längst im Himmel, dann wäre das Alte vergangen und das Neue angebrochen, dann wäre es das Paradies.
Die Welt, die uns Gott anvertraut hat, wäre frei von jeder Form von Hass, frei von aller Angst, frei von allem Leid, denn es gäbe nur noch Liebe, so dass niemand sich fürchten müsste, und aus der Liebe heraus würde jeder Not abgeholfen, so dass niemanden mehr ein Leid treffen kann.
Nun haben wir aber immer noch täglich tausende Menschen, die Hungers sterben, wir haben Kriege, die unsägliches Leid über Millionen von Menschen bringen, wir sind misstrauisch, wir wollen mit bestimmten Menschen einfach nichts zu tun haben, usw.
Gerne sind es natürlich die anderen, die dies alles verursachen. Aber wir tragen auch unseren Teil dazu bei, indem wir wegschauen, wenn neue Feindbilder aufgestellt werden, oder indem wir selbst Ängste schüren oder indem wir Aussagen verbreiten, deren Wahrheitsgehalt wir nicht überprüft haben, die aber durchaus dazu geeignet sind, anderen Menschen schweren Schaden zuzufügen.
Wir sind nicht in der Liebe.
Und dennoch schreibt es Johannes, nicht als Wunsch, sondern er stellt es fest: „Darin ist die Liebe bei uns vollkommen, dass wir Zuversicht haben am Tag des Gerichts.“ (1. Joh 4, 17a)
Die Liebe ist in uns vollkommen. Aber: Es geht auch um das Gericht. Die Furcht rechnet mit Strafe, so heißt es wenig später, und es gibt, so darf man folgern, nur dann Grund, sich zu fürchten, wenn man nicht in der Liebe vollkommen ist.
Jetzt wird es allerdings schwierig. Denn nach allem, was wir bisher festgestellt haben, müssten wir uns dann doch wohl fürchten. Wer kann schon vollkommen in der Liebe sein?
Eigentlich ist das nur dann möglich, wenn wir die Liebe Gottes in uns und durch uns wirken lassen. Das ist es ja auch, was Johannes letztendlich meint, wenn er sagt: „Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“.
Aber wie kommen wir dahin, wie kann uns das gelingen? Durch Jesus Christus ist uns ein guter Weg eröffnet worden, durch den wir uns immer wieder der Liebe Gottes vergewissern können: es ist die Feier des Heiligen Abendmahls. Hier gibt sich Gott uns hin, wir haben Gemeinschaft mit ihm, wir erfahren sein Heil.
Das Abendmahl ist das Geschenk seiner Liebe. Wir nehmen ihn auf, wir erfahren seine Liebe und werden so zu einem Leben in seiner Liebe befähigt.
Dass wir dabei unvollkommen bleiben, wird uns immer wieder bewusst. Und so ist es tröstlich und ermutigend, dass wir im Abendmahl stets neu die Zusage der Vergebung unserer Schuld erfahren. Und dann können wir auch mit Paulus sagen:
Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt. (Röm 8, 33-34)
Allein: wir müssen es glauben. Wer das nicht kann, der wird sich auch fürchten müssen vor dem Gericht, zu dem der Menschensohn kommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten.
Im Glauben wachsen, das ist unsere Aufgabe. Wenn wir uns darum bemühen, indem wir auf sein Wort hören, indem wir die Gemeinschaft untereinander suchen, indem wir lieben, dann werden wir auch keine Furcht mehr haben müssen. Denn dann sind wir in seiner Liebe.
Nur, dass wir nie zufrieden sein dürfen und können mit dem, was wir erreicht haben. Denn wir sind zwar Heilige, weil Gott uns heiligt, aber wir sind nicht vollkommen.
Noch warten wir eines neuen Himmels und einer neuen Erde,. doch das tun wir nicht, indem wir die Hände in den Schoß legen, sondern indem wir in der Liebe bleiben und damit das Kommen dieses neuen Himmels und dieser neuen Erde vorantreiben.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Nun bitten wir den Heiligen Geist (EG 124)
Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ (EG 343)
Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (EG 397)
Ich will dich lieben, meine Stärke (EG 400)
Liebe, die du mich zum Bilde (EG 401)
Gott liebt diese Welt (EG 409)
So jemand spricht: „Ich liebe Gott” (EG 412)
Ein wahrer Glaube Gott's Zorn stillt (EG 413)
Brich mit den Hungrigen dein Brot (EG 420)
Ich bete an die Macht der Liebe (EG 617)
Gottes Liebe ist wie die Sonne (EG 620)
Ins Wasser fällt ein Stein (EG 621)


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Predigtvorschläge zu Reihe VI - Jer 23, 16-29

Ballade von Martin Senftleben

So richtig gut geht es nie allen,
drum lässt man es sich schon gefallen,
wenn einen keine Sorgen plagen
an diesen und an andern Tagen.
Man fragt nicht lang, wie's andern geht,
wenn es nur gut mit mir hier steht,
und wenn ich kann, dann will ich sorgen
dass nichts mir fehlt auch übermorgen.
Und was den andern widerfährt,
hat mich noch lange nicht gestört.
Man hört es wohl, die Nachbarin
flog gestern erst der Läng' nach hin,
ob ich ihr vielleicht helfen kann?
Ach nein, das macht ein andrer Mann.
Was soll ich mich denn immer plagen
mit Sorgen, die die andern haben?
Es geht mir gut, das zählt alleine,
und freundlich bin ich nur zum Scheine.

So lässt sich's leben, denkt man sich,
ich lass die andern zwar im Stich,
doch sorg ich ja – zu meinem Wohle –
für gutes Essen und die Kohle.
Nur: immer wird das nicht so gehn,
das kann man nicht nur heute sehn,
es steht sogar schon in der Bibel:
des Menschen Selbstsucht ist sein Übel.
Drum sandte Gott uns die Propheten,
sie sollten ihn bei uns vertreten,
damit wir lernten seinen Willen
und seinen Wunsch auch zu erfüllen.

»Ich weiß, was morgen vor sich geht,«
sagt einer, der sich nennt Prophet,
und weissagt, was das Zeug so hält,
von Gott und von der schönen Welt.
Und viele horchen auf sein Wort:
»Es wird geschehn an jenem Ort,
wo grüne Hügel rings umher,
den Menschen wird das Leben schwer.«

Schon rätselt man und fraget sich:
'Was ist der Ort, von dem er spricht?
Könnt es gar unser Städtchen sein,
und alle Menschen groß und klein?
Will er, dass wir uns heut verändern
und fortan gehn in Bußgewändern?
Doch da kommt einer angelaufen
so schnell, er muss sich erst verschnaufen
und kündigt, als er das getan,
für unser Städtchen Gutes an:
»Das Böse wird sich nicht erheben,
Gott will uns nur das Beste geben,
er ist uns nah, das sagt er immer,
verlassen wird er uns doch nimmer.
Drum macht nur weiter wie bisher,
macht euer Herz von Sorgen leer
und träumt von Reichtum, Auto, Haus,
das alles sag ich euch voraus.«

Prophet nennt sich auch dieser Mann,
er sagt uns nur das Gute an,
da kann man schon erleichtert sein
denn Gott lässt uns ja nicht allein.

Doch halt! Was haben wir gelesen?
Gott sagt: ich bin euch nah gewesen,
doch gibt es auch mal andre Zeiten,
wenn ihr euch gerne selbst wollt leiten,
dann will ich euch nicht nahe sein,
und mache mich verschwindend klein.
So straft uns Gott auf seine Art,
er bleibt uns fern, das ist schon hart,
und lässt uns ganz auf uns gestellt;
da muss wohl untergehn die Welt,
weil ich nur an mich selber denke
und mir nur meine Liebe schenke.
Doch bleibt er Gott, und neiget sich
in seiner Liebe über mich,
denn ganz aus eigner Kraft allein
kann niemand für sich Helfer sein.

Eins steht nun fest: Gott gibt nicht auf
und lässt den Dingen seinen Lauf,
er wendet sich mir zu und spricht:
'komm her zu mir - fürchte dich nicht!'
Gott rufet mich durch die Propheten,
die ihn bei uns auch heut' vertreten.
Wer sind die? Das ist schwer zu sagen,
weil sie kein Sonderzeichen tragen,
allein, was sie zu sagen meiden,
hilft uns, sie recht zu unterscheiden.
Denn was ein richtiger Prophet,
sagt nicht, wonach der Sinn ihm steht;
er kündet, was Gott von uns will,
und das wird manchem schnell zu viel.
Denn ganz so leicht und so bequem
wie früher wird es nicht mehr gehn.
Doch wenn wir nun auf Gott's Wort hören,
und uns nicht länger mehr dran stören,
dann machen wir den ersten Schritt
in Gottes Reiche gleichsam mit.
Die Selbstsucht weicht, wir schließen Frieden,
mit Gott und denen, die hienieden.
Und so beginnt auch unser Leben
von dem der andern sich zu heben,
wir spüren auch im Leide Segen,
auf Gott wir uns're Hoffnung legen.
Die andern können dies erkennen
warum wir uns hier Christen nennen
denn Christus lädt uns alle ein
in seiner Jüngerschar zu sein.
Er zeigt uns, wie sehr Gott uns liebt
so sehr, dass er den Sohn hingibt.
Drum sprechen wir in Jesu Namen
auch heute ein getrostes: Amen!

oder:

Liebe Gemeinde!
Der Prophet Jeremia ist Sohn eines Priesters. Er wurde vermutlich in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts vor Christus geboren. Als Gott ihn in den Dienst eines Propheten rief, muss er noch sehr jung gewesen sein, denn er bezeichnet sich selbst als zu jung, um ein Prophet zu sein.
Vermutlich ist diese Antwort aus der Erfahrung heraus gewachsen, die er in der Priesterfamilie gemacht hatte. Es dauerte seine Zeit, bis ein Priester sein Amt in rechter Weise und in der Vollmacht des Herrn ausüben konnte. Und vermutlich fürchtete er, dass niemand auf ihn hören würde aufgrund seines Alters. Es fehlte ihm an sichtbarer Autorität.
So würden wir es wohl auch empfinden, wenn ein 16-Jähriger vor uns stünde und sagen würde: „So spricht der Herr!” Wie kann das sein? Da würden die meisten nur müde lächeln, und andere würden ihn verspotten und beschimpfen.
Aber Gott rührt ihn an, diesen Jeremia, und so beginnt er seinen Dienst als Prophet, als Prediger. Er muss dafür leiden, denn die Worte Gottes, die er an die Menschen weitergibt, sind alles andere als bequem. Aber er kann nicht davon abweichen, und so nimmt er eher das Leid und die Strafe auf sich dafür, dass er Gottes Wort predigt, als sich eines angenehmen Lebens zu freuen, indem er den Menschen nach dem Mund redet.
Dabei kann ich mir vorstellen, dass, je mehr er angefeindet wurde, desto eher war er bereit, die Worte Gottes, die das Volk wegen seiner Gottlosigkeit anklagten, auszusprechen. Er sah Gott an seiner Seite und fürchtete sich darum nicht. Er war ein Streiter Gottes!
In dieser Zeit des Propheten Jeremia zogen die Babylonier gegen Jerusalem, um es zu erobern – die gerechte Strafe Gottes war also zu erwarten.
Der König befragte Gott durch Propheten, die aus seiner Hand ihren Unterhalt bekamen – wie konnten sie da gegen seine Vorhaben oder Entschlüsse etwas sagen?
Es scheint, dass es ihnen ohnehin am Wort des Herrn mangelte – sie predigten nur das, was sie für angemessen und nützlich hielten – nicht zuletzt nützlich für sie selbst. So wie ein Sprichwort sagt: Der Hund beißt nicht die Hand, die ihn füttert.
Jeremia aber war nicht in den Diensten des Königs, so dass es für ihn auch keine Skrupel diesbezüglich geben konnte. Er genoss offenbar genug Aufmerksamkeit im Volk, dass es den König nervös und unruhig machte. Denn das Volk wurde unruhig angesichts der Worte des Propheten, und diese Unruhe bekam der König natürlich mit. Aber anstatt auf die Worte des Propheten zu hören, setzte er ihn gefangen, um seinen Einfluss auf das Volk zunichte zu machen.

Die Worte des Propheten, die wir eben als Predigttext gehört haben, können auch uns nervös machen. Ich möchte mich ihnen in drei Schritten näheren. Der erste Schritt ist eine Frage:

1. Schritt: Was wollen wir hören?
Diese Frage mag etwas merkwürdig erscheinen, aber darum geht es ja zunächst einmal in unserem Predigttext. Die Propheten reden dummes Zeug, so kann man wohl sagen, aber es ist das, was die Menschen hören wollen. Und so ist es durchaus sinnvoll, uns selbst einmal zu fragen, was wir eigentlich hören wollen – und was nicht. Gefällt uns solch ein Gott, der damit droht, dass er sein Volk im Stich lässt?
Wir möchten doch vielmehr, dass er uns nahe ist, und sind dankbar für genau solche Worte, die uns das auch zusagen.
Hat es da nicht einen Bruch gegeben zwischen dem Alten und dem Neuen Testament in dem Sinn, dass Gott nicht mehr fern sein kann, seit er in Jesus Christus Mensch wurde? Ist die Drohung der Gottesferne für uns nicht bedeutungslos geworden?
Schön wäre es. Und vielleicht ist es auch so.
Aber ich glaube eher: das ist es, was wir von Gott wissen wollen. Das andere scheint in unseren Augen barbarisch, unmenschlich. Das wollen wir nicht.
Und darum hören wir es auch nicht, auch wenn es uns gesagt wird. Wir wollen nicht hören, dass Gott sich von den Menschen abwendet.
Genauso wenig mögen wir die Texte, in denen von Heulen und Zähneklappen die Rede ist. Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen scheint uns doch ziemlich gemein zu sein: warum müssen fünf Jungfrauen, die gerade in dem Moment, als der Bräutigam kommt, nicht da sind, sich sagen lassen, dass er sie nicht kennt? Warum muss der Knecht, der seinem Herrn den Zentner zurück gibt, den er von ihm bekommen hat, in die Finsternis hinausgeworfen werden?
Warum gibt es in solchen Texten keine Barmherzigkeit?
Wir neigen dazu, uns die Rosinen rauszupicken. Wir hören nur das, was uns wohltut, und nicht auch das, was uns ein Unbehagen bereitet.
Doch die Bibel ist voll von solchen Worten, und so kommen wir zum zweiten Schritt:

2. Schritt: Kann Gottes Nähe furchtbar sein?
Eigentlich können wir uns das nicht vorstellen. „Gott ist die Liebe” (1. Joh 4, 16), hat Johannes in seinem 1. Brief gesagt. Und da möchten wir uns gerne hineinkuscheln in dieses Wort. Wir möchten von Liebe umgeben sein.
Aber der Prophet Jeremia hat da andere Worte für uns:
Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? 24 Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe? spricht der Herr. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt? spricht der Herr. (Jer 23, 23f)
Zunächst stellt Gott dar, dass er nicht nur nah, sondern auch fern sein kann. Das ist die Drohung, die über dem Volk Israel schwebt.
Solche Gottesferne hat Jesus am Kreuz erlebt, als er ausruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?” Und es ist nicht das letzte Mal, dass solche Gottesferne erfahren wurde.
Wohl jeder Mensch erlebt sie irgend wann einmal, z.B. wenn ein lieber Mensch stirbt, oder wenn man die Arbeitsstelle verloren hat, oder wenn eine Ehe zerbricht, oder wenn ein Kind den Eltern den Rücken kehrt und sagt, es wolle nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Gott, wo bist Du?
Die Worte des Propheten, von denen ausdrücklich gleich dreimal in unserem kurzen Abschnitt gesagt wird, dass es Worte Gottes sind, gehen aber noch weiter. Plötzlich ist Gott doch nahe, aber es ist eine Nähe, die einem Angst macht.
„Meinst du, dass sich jemand heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe? spricht der Herr. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt? spricht der Herr.”
Ja, Gott ist nahe. Aber wehe dem, der diese Nähe gar nicht will. Dem wird die Nähe Gottes zu einer unheilvollen, vielleicht sogar grausamen Erfahrung.
Aber wer sind diese, die Gottes Nähe gar nicht wollen? Sehnen wir uns nicht alle danach, seine Nähe zu spüren?
Nun, solange wir uns Gott als den lieben Gott vorstellen, der nur das Beste für alle Menschen will, ist das wohl so. Aber wenn wir ihn als den erleben, der etwas von uns erwartet, ja, der Rechenschaft von uns fordert über das, was wir getan haben, dann möchten wir ihm wohl eher ausweichen. Denn wir ahnen, und vielleicht wissen wir es, dass wir oft genug versagt haben, dass wir nicht getan haben, was von uns erwartet wird.
Wir merken schon, dass wir eigentlich etwas tun müssten. Und dann lassen wir es doch bleiben. Wird uns das alles nicht angerechnet werden am Jüngsten Tag? Können wir uns wirklich jetzt schon damit rausreden, dass Gott uns um Christi willen alles vergeben wird? Wäre das nicht allzu billige Gnade?
Durch die Taufe wird uns die Vergebung unserer Sünden zugesprochen. Für die meisten von uns ist das lange her. Aber die Taufe, und damit auch die Zusage der Sündenvergebung, bleibt gültig. Und dennoch: wenn wir die Hände in den Schoß legen, weil wir uns darauf verlassen, dass Gott uns vergibt, machen wir es uns zu einfach.
Und darum kommt der dritte Schritt dazu:

3. Schritt: Gottes Wort hören – und tun
Jesu Worte sind sehr eindeutig gewesen: „Wenn einer deinen Rock nehmen will, dann gib ihm auch den Mantel. Wenn dich jemand nötigt, eine Meile mit zu gehen, so geh mit ihm zwei. Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will.” (Mt 5, 40-42)
Das Gleichnis vom Weltgericht führt uns deutlich vor Augen, wie es denen ergeht, die nicht bereit waren, ihre Mitmenschen im Gefängnis zu besuchen, sie zu kleiden, ihnen zu essen zu geben, ihnen Herberge zu gewähren. (Mt 25, 31ff).
Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lk 15) führt uns vor Augen, wann das Gebot der Nächstenliebe eingehalten, und wann es gebrochen wird.
Da geht es um Ansprüche, die Gott an uns stellt. Diese Ansprüche können nicht einfach weggeredet werden, indem wir sagen: es ist alles gut, Gott vergibt uns, Werke sind unnütz und tot, allein der Glaube macht uns gerecht.
Dies ist zwar ein Kernsatz reformatorischen Glaubens, aber Martin Luther hatte mit der sogenannten Werkgerechtigkeit zu kämpfen und stellte darum das „Allein aus Glauben”, das „sola fide”, in den Mittelpunkt und sogar über alles. Zu viel wurde mit den Werken gerechnet, zu viel damit gedroht, dass das ewige Feuer auf den wartet, der nicht in seinem Leben für einen Ausgleich des Sündenkontos sorgt.
Da blieb die Vergebung auf der Strecke, das Handeln Gottes, seine Barmherzigkeit, wurde zur Verfügungsmasse der Menschen.
In solch einer Situation ist das Sola Fide durchaus sinnvoll und richtig. Aber wir leben nicht mehr in solch einer Situation. Heute hören wir an allen Ecken, dass jeder in den Himmel kommt, Gott liebt sie doch alle, wie könnte es also anders sein als dass alle Menschen erlöst werden.
Der furchtbare Gott, der sein Volk im Stich lassen kann, ist uns völlig fremd geworden.
In der Trinitatiskirche stehen über dem Durchgang zur Kapelle die Worte: „Dienet dem Herrn mit Furcht und freuet euch mit Zittern.”
Diese Worte sind eigentlich den Predigern gewidmet, die sich auf die Kanzel begeben, dass sie sich immer bewusst sind, dass sie für ihre Worte Rechenschaft ablegen müssen.
Schon öfters wurde ich gefragt, ob man diese Worte nicht entfernen bzw. durch andere ersetzen könne. Offensichtlich fällt es schwer, ein solches Gottesbild, das von uns Demut und Gehorsam erfordert, zu ertragen.
Muss Gott nicht rasend werden, wenn es allen Menschen so einfach gemacht wird, wenn es sich alle Menschen so einfach machen und Gott nur noch zum Kuscheln gebrauchen wollen?
Glaube hat Werke (Jak 2, 17). Sie gehören zum christlichen Glauben dazu. „Seid aber Täter des Wortes und nicht Hörer allein, sonst betrügt ihr euch selbst” (Jak 1, 22), schreibt Jakobus. Und das bedeutet: Nächstenliebe, Friedfertigkeit, Versöhnungsbereitschaft. Es bedeutet Selbsthingabe in der Nachfolge Jesu.
Wer Jesus nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge ihm.
Und nicht: Der lehne sich zurück und entspanne sich.
Ein Leben in der Nachfolge Christi ist kein einfaches Leben. Wer sich bemüht, mit seinen Mitteln und Möglichkeiten das Seine zu tun, der darf sich natürlich darauf verlassen, dass die Zusage der Taufe gültig ist, falls er in seinem Handeln versagt, oder falls dieses Handeln einfach nicht ausreicht.
Aber wir dürfen uns selbst nicht genug sein. Gott stellt uns in eine Welt, die uns braucht. Verschließen wir davor nicht die Augen, damit wir nicht am Ende die Nähe Gottes fürchten müssen.
Amen


Liedvorschläge zur Predigt:
Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort (EG 193)
Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ (EG 246)
Sonne der Gerechtigkeit (EG 262)
Ach Gott, vom Himmel sieh darein (EG 273)
Ich freu mich in dem Herren (EG 349)
Ist Gott für mich, so trete (EG 351)
Er weckt mich alle Morgen (EG 452)
Fürchte dich nicht (KHW-/HN-EG 612; NB-EG 595)


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Predigtvorschläge zu Reihe M - Pred 12,1-8 (vor 2018)
Sir 41, 1-4
2. Tim 3, 14-17

Zu Prediger 12, 1-8 (vor 2018):

Liebe Gemeinde,

Das Buch des Predigers Salomo ist bekannt dafür, dass es eine recht düstere Lebensphilosophie entwickelt, wobei es vor allem Lebenserfahrungen auswertet und darum zu dem Schluss kommt: Es ist alles ganz eitel.
Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, und das ist auch der Grund, warum das Buch immerhin 12 Kapitel umfasst, denn es gibt mehr zu sagen als nur dies, dass des Menschen Tun ja doch vergeblich ist und man sich abmühen kann wie man will und sich trotzdem nichts ändert.
Der bekannteste Abschnitt aus diesem Buch ist wohl die Liste gegensätzlicher Dinge unter der Überschrift: „Alles hat seine Zeit.”
Aber heute befassen wir uns mit der anderen Aussage, dass alles ganz eitel ist. Diese Aussage stellt gewissermaßen den Rahmen des Buches dar, denn zu Beginn, im 2. Vers des 1. Kapitels, heißt es schon: „Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel.”
Unser Predigttext steht am Ende des Buches, obwohl noch einige Verse nachgeschoben werden, die sich aber selbst als „Nachworte” zu erkennen geben.
Was bedeutet dieses Wort „eitel” eigentlich? Wir gebrauchen es heute überwiegend für eine Person, die sehr viel Wert auf ihr Äußeres legt und alles tut, anders zu scheinen, als sie tatsächlich ist. Es bezeichnet die Selbstverliebtheit einer Person.
Zu Luthers Zeiten stand das Wort „eitel” allerdings für „bedeutungslos”, „nichtig” oder „leer”.
Und das ist also die Aussage, die das ganze Buch des Predigers umklammert: „Alles ist nichtig”, oder: „Alles ist bedeutungslos”.
Der Autor mahnt uns zunächst, an unseren Schöpfer zu denken, solange wir jung sind und es uns gut geht: keine Gebrechen, die das Alter so mit sich bringt, keine Gelenkschmerzen, keine Vergesslichkeit, keine Probleme mit den Augen oder Ohren usw., sondern Energie, den Willen, die Welt zu erobern und was einem noch so alles in den Sinn kommt, solange man jung ist.
Es kommen Tage, so sagt der Prediger, über die man sagen wird: „Sie gefallen mir nicht”. Das sind die Tage des Alters, wenn Krankheit und Gebrechen den Alltag bestimmen, und der Prediger beschreibt diese Tage in Bildern, die uns nicht so leicht zugänglich sind.
Sonne und Mond und Sterne werden finster, weil die Kraft der Augen nachlässt; wiederkehrende Wolken nach dem Regen sollen ebenfalls auf das nachlassende Augenlicht hindeuten.
Sich schließende Türen, das Verstummen der Mühle und des Gesangs, all das sind Zeichen für den Lebensabend, wo das Alltägliche immer schwieriger wird.
Ich will die Worte des Predigers noch etwas erläutern:
„die Hüter des Hauses” - damit sind die Arme und Hände gemeint. Im Alter beginnen sie, zu zittern, man kann die Hand nicht mehr ruhig halten, was es einem schwer macht, manche Tätigkeiten zu verrichten.
Das Haus selbst ist der menschliche Leib, und wenn es heißt, dass die Müllerinnen müßig stehen, dann sind damit die Zähne gemeint, die weniger werden und nicht mehr in der Lage sind, richtig zu kauen.
Die „Starken” sind die Beine, die sich krümmen, weil die Gelenke steifer werden und das Laufen dadurch schwerer machen.
Wenn es heißt, dass die Stimme der Mühle leiser wird, ist das Gehör gemeint, das nachlässt.
Der alt und gebrechlich gewordene Mensch hat Angst, hinauszugehen, denn er fürchtet die Dinge, die er nicht bewältigen kann. Wie oft höre ich es bei Besuchen, dass ein Mensch nicht mehr zum Gottesdienst gehen kann, weil er zum Beispiel fürchtet, auf die Toilette gehen zu müssen, oder weil das längere Sitzen auf harten Bänken Schmerzen bereitet.
Solche Furcht wird hier angesprochen, wenn es heißt: „wenn man vor Höhen sich fürchtet und sich ängstigt auf dem Wege”.
Merkwürdig ist dann der 6. Vers, wo es heißt: „ehe der silberne Strick zerreißt und die goldene Schale zerbricht und der Eimer zerschellt an der Quelle und das Rad zerbrochen in den Brunnen fällt.
Da, wo Luther „Brunnen” übersetzt, könnte auch „Grube” übersetzt werden, und dann wird schon deutlich, dass es hier um den Tod geht. Das wird dann auch im 7. Vers weiter ausgeführt: „Der Staub muss wieder zur Erde kommen, wie er gewesen ist.” Aber dabei bleibt es nicht, sondern da ist noch mehr: „und der Geist” muss „wieder zu Gott” kommen, „der ihn gegeben hat”.
Da wird dann ja doch erkennbar, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, dass das Leben ein Ziel hat, nämlich die Geborgenheit in Gott. Dennoch folgen dann die letzten Worte: Es ist alles ganz eitel, spricht der Prediger, ganz eitel.
Die Resignation, die aus diesen letzten Worten spricht, wird trotz allem durchdrungen von der Gewissheit, dass Gott ist. Der Prediger rechnet fest mit der Gegenwart Gottes, und darum mahnt er auch immer wieder, dass wir uns dessen bewusst sein sollen. Ja, er kann es auch mit Gewissheit sagen, dass wir uns dessen bewusst sind, wenn er im 3. Kapitel ausruft: Gott hat die Ewigkeit in des Menschen Herz gelegt, nur dass er nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Das ist wohl auch der Grund für die Resignation, dass wir nicht wissen, worauf es hinaus will mit uns. Wir können den Plan Gottes nicht durchschauen, und so sind wir manchmal ratlos, z.B. wenn Menschen heimatlos werden, Kinder verhungern oder Alte jahrelang leiden, bevor sie endlich durch den Tod erlöst werden.
Nur eins wissen wir, und das soll uns doch auch Hoffnung machen: Gott hält diese Welt und uns in seiner Hand. Wenn wir darauf vertrauen, wenn wir das fest glauben, dann werden wir am Ende doch Gott danken können für alles, was uns in unserem Leben bisher widerfahren ist, und froh und voller Hoffnung in die Zukunft blicken.
Amen
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